Basiswechsel und Koordinatentransformation

Wir haben unsere Koordinaten-Tupel wieder: Relativ zu einer Basis können wir jeden Vektor durch ein Zahlen-Tupel, das Tupel seiner Koordinaten, darstellen.

Aber: Es gibt nicht nur eine, sondern viele gleichberechtigte Basen, also auch viele verschiedene, gleichberechtigte Darstellungen eines Vektors. Ein Geschwindigkeits-Vektor — viele Darstellungen als Zahlen-Tripel.

Damit stellt sich die Frage, wie die Koordinaten-Tupel zusammenhängen, die einen Vektor bezüglich verschiedener Basen darstellen? Wir müssen also das Transformationsverhalten der Koordinaten-Tupel herleiten.

Zweidimensionaler Fall: die Formeln

Frisch ans Werk: Wie ändert sich das einem Vektor (aus \(V\)) zugeordnete Koordinaten-Tupel (im \(R^n\)) beim Wechsel der Basis (von \(V\))?
Wie so oft können wir das Wesentliche bereits beim zweidimensionalen Vektorraum erkennen.

Ein Vektor

Wir betrachten irgendeinen Vektor \(u \in V\).

Zwei Basen von \(V\)

Wir wählen zwei Basen, deren Vektoren wir mit \(\color{#b75130}{\vec{v}_1}, \color{#b75130}{\vec{v}_2}\) beziehungsweise \(\color{#11347c}{\vec{v}^´_1}, \color{#11347c}{\vec{v}^´_2}\) bezeichnen.

Darstellung des Vektors relativ zu den Basen

Dem Vektor \(\vec{u} \in V\) wird relativ zu jeder der beiden Basen jeweils sein Koordinaten-Tupel zugeordnet:

\[ \vec{u} = \color{#b75130}{\alpha_1} \color{#b75130}{\vec{v}_1} + \color{#b75130}{\alpha_2} \color{#b75130}{\vec{v}_2} \longmapsto \left(\matrix{\color{#b75130}{\alpha_1}\cr\color{#b75130}{\alpha_2}} \right) \; , \qquad \text{bzw.} \qquad \vec{u} = \color{#11347c}{\alpha^´_1} \color{#11347c}{\vec{v}^´_1} + \color{#11347c}{\alpha^´_2} \color{#11347c}{\vec{v}^´_2} \longmapsto \left(\matrix{\color{#11347c}{\alpha^´_1}\cr\color{#11347c}{\alpha^´_2}} \right) \]
Transformation der Basisvektoren in \(V\)
Jeder Vektor, also insbesondere auch die Vektoren der gestrichenen Basis, lässt sich als Linearkombination der Vektoren der ungestrichenen Basis schreiben: \[ \begin{align} \color{#11347c}{\vec{v}^´_1} &= a_{11} \color{#b75130}{\vec{v}_1} + a_{12} \color{#b75130}{\vec{v}_2}\\ \color{#11347c}{\vec{v}^´_2} &= a_{21} \color{#b75130}{\vec{v}_1} + a_{22} \color{#b75130}{\vec{v}_2} \end{align} \] Dasselbe in der kompakten Matrixschreibweise mit der Matrix der Koeffizienten \( A = \left(\matrix{a_{11}&a_{12}\cr a_{21}&a_{22}}\right) \) : \[ \bbox[#ffffcc,6pt]{ \left(\matrix{\color{#11347c}{\vec{v}^´_1}\cr \color{#11347c}{\vec{v}^´_2}}\right) = \left(\matrix{a_{11}&a_{12}\cr a_{21}&a_{22}}\right) \left(\matrix{\color{#b75130}{\vec{v}_1}\cr \color{#b75130}{\vec{v}_2}}\right) } \]

Die Determinante der Matrix \(A\) ist ungleich Null:

\[ \det A = \det \left( \matrix{ a_{11} & a_{12} \cr a_{21} & a_{22} } \right) = a_{11} a_{22} - a_{12}a_{21} \ne 0\]

Das folgt daraus, dass auch die Vektoren \(\vec{v}^´_1, \vec{v}^´_2\) eine Basis bilden — und umgekehrt beschreibt jede Matrix mit nichtverschwindender Determinante eine Basistransformation.

Transformation der Koordinaten-Tupel im \(R^2\)
Für den Zusammenhang der Koordinaten-Tupel folgt daraus: \[ \bbox[#ffffcc,6pt]{ \left(\matrix{\color{#b75130}{\alpha_1}\cr \color{#b75130}{\alpha_2}}\right) } = \left(\matrix{a_{11}&a_{21}\cr a_{12}&a_{22}}\right) \left(\matrix{\color{#11347c}{\alpha^´_1}\cr \color{#11347c}{\alpha^´_2}}\right) \bbox[#ffffcc,6pt]{ = \left(\matrix{a_{11}&a_{12}\cr a_{21}&a_{22}}\right)^{\text{T}} \left(\matrix{\color{#11347c}{\alpha^´_1}\cr \color{#11347c}{\alpha^´_2}}\right) } \]

Es sollte uns nicht überraschen, dass bei der Transformation der Koordinaten-Tupel die Matrix \(A\) auftritt, die auch den Wechsel der Basen beschreibt.
Bemerkenswert ist dagegen, dass sich die Koordinaten-Tupel im \(R^2\) gegenläufig zu den Basisvektoren in \(V\) transformieren:

Basis-Vektoren
Die Matrix \(A\) vermittelt den Übergang von den ungestrichenen zu den gestrichenen Vektoren.
Koordinaten-Tupel
Die transponierte Matrix \(A^{\text{T}}\) vermittelt den umgekehrten Übergang von den gestrichenen zu den ungestrichenen Koordinaten.
Die inverse Matrix der Transponierten, \((A^{\text{T}})^{-1}\), vermittelt also wieder den Übergang von den ungestrichenen zu den gestrichenen Koordinaten.

Der Grund für dieses gegenläufige Transformationsverhalten ist, dass die Koordinaten-Tupel zusammen mit den Vektoren der Basis denselben Vektor aus \(V\) ergeben müssen.
Das können Sie sich bereits an zwei ganz einfachen Beispielen vor Augen führen:

Skalieren eines der beiden Basisvektoren …
\[ \color{#11347c}{\vec{v}^´_1} = 2\; \color{#b75130}{\vec{v}_1},\quad \color{#11347c}{\vec{v}^´_2} = \color{#b75130}{\vec{v}_2} \] \[ \color{#11347c}{\alpha^´_1} = \frac{1}{2}\color{#b75130}{\alpha_1},\quad\color{#11347c}{\alpha^´_2} = \color{#b75130}{\alpha_2} \]
… und zusätzliches Vertauschen der Basisvektoren
\[ \color{#11347c}{\vec{v}^´_1} = 2\; \color{#b75130}{\vec{v}_2},\quad \color{#11347c}{\vec{v}^´_2} = \color{#b75130}{\vec{v}_1} \] \[ \color{#11347c}{\alpha^´_1} = \frac{1}{2}\color{#b75130}{\alpha_2},\quad \color{#11347c}{\alpha^´_2} = \color{#b75130}{\alpha_1} \]

Wie es sein muss, gilt in beiden Beispielen:

\[ \color{#11347c}{\alpha^´_1} \color{#11347c}{\vec{v}^´_1} + \color{#11347c}{\alpha^´_2} \color{#11347c}{\vec{v}^´_2} = \vec{u} = \color{#b75130}{\alpha_1} \color{#b75130}{\vec{v}_1} + \color{#b75130}{\alpha_2} \color{#b75130}{\vec{v}_2} \]

Gegenläufiges Transformationsverhalten

Soweit der einfache, überschaubare Fall zweidimensionaler Vektorräume. Was ändert sich in höheren Dimensionen? Nichts! Unverändert gilt: Wenn die Transformation zwischen zwei Basis von \(V\) durch eine Matrix \(A\) beschrieben wird, dann transformieren sich die Koordinaten-Tupel eines Vektors mit der inversen Matrix der Transponierten \( (A^{T})^{-1} \).

Dieses gegenläufige Transformationsverhalten ist typisch für Zahlen-Tupel, die Vektoren darstellen. Das führt uns gleich im Anschluss zur Physiker-Sicht auf Vektoren — und später zu Lorentzvektoren, Tensoren etc. Soll heißen: das so harmlos daherkommende Transformationsverhalten ist wichtig.

Lessons learned

  • Die Koordinaten-Tupel der Vektoren transformieren sich gegenläufig zu den Basen.
  • Eine Basis-Transformationen in \(V\) wird durch eine Matrix \(A\) mit nichtverschwindender Determinante dargestellt.
  • Koordinaten-Tupel werden mit der inversen Matrix der Transponierten \( (A^{T})^{-1} \) transformiert.
  • Das gegenläufige Transformationsverhalten folgt daraus, dass die Koordinaten-Tupel und Basisvektoren zusammen jeweils denselben Vektor aus \(V\) ergeben müssen