Basen

Nehmen wir uns einen Satz von Vektoren \( \vec{v}_1, \vec{v}_2, \dots , \vec{v}_n \) aus einem Vektorraum \( V \) her. Die Möglichkeiten, mit diesen Vektoren etwas zu machen, sind eher überschaubar: Ich kann reelle Vielfache eines Vektors bilden und zwei (oder mehr) Vektoren addieren. Zusammen genommen kann ich also so genannte Linearkombinationen \[ \vec{u} = \alpha_1 \vec{v}_1 + \alpha_2 \vec{v}_2 + \dots + \alpha_n \vec{v}_n \;, \quad \alpha_i \in R \] bilden. Eine solche Linearkombination ist selbst wieder ein Vektor, das heißt ein Element des Vektorraums \( V \).

Stellen sich zwei Fragen:

Die Antwort auf beide Fragen lautet ja, wenn die \( \vec{v}_1, \vec{v}_2, \dots , \vec{v}_n \) eine Basis des Vektorraums \( V \) bilden. Genau so ist eine Basis definiert.

Basis eines Vektorraums

Die Vektoren \(\vec{v}_1, \vec{v}_2, \dots , \vec{v}_n \) bilden eine Basis des Vektorraums \( V \), wenn sich jeder Vektor \(\vec{u}\) aus \( V \) eindeutig als Linearkombination der \( \vec{v}_1, \vec{v}_2, \dots , \vec{v}_n \) schreiben lässt: \[ \vec{u} = \alpha_1 \vec{v}_1 + \alpha_2 \vec{v}_2 + \dots + \alpha_n \vec{v}_n \;, \quad \alpha_i \in R \] Die Anzahl der Vektoren einer Basis ist für alle Basen gleich und wird als Dimension des Vektorraums bezeichnet.

Die reellen Zahlen \(\alpha_1, \alpha_2, \dots , \alpha_n\) bezeichnen wir als Koeffizienten oder Koordinaten des Vektors bezüglich der Basis.
Die Vektoren \( \alpha_1 \vec{v}_1, \alpha_2 \vec{v}_2, \dots , \alpha_n \vec{v}_n \) bezeichnen wir als Komponenten des Vektors bezüglich der Basis.
(Die Bezeichnungen sind in der Literatur nicht eindeutig. Man muss also im Zweifelsfall genau hinsehen, was gemeint ist: ein Vektor oder eine Zahl?)

Existenz und Eindeutigkeit

Eine weitere Frage haben wir bisher noch gar nicht gestellt: Gibt es überhaupt Basen? Und wenn ja, wieviele?

Die Antwort der Mathematiker ist beruhigend — falls wir als Physiker denn überhaupt in Sorge gewesen sind: Es gibt für jeden Vektorraum nicht nur eine, sondern sogar viele Basen.

Standardbasis des \(\color{#005A9C}{R^2}\)

Betrachten wir als einfachstes Beispiel den Vektorraum \(R^2\) der Paare (geordnete 2-Tupel) reeller Zahlen.

Die beiden Paare \(\vec{e}_1 = (1,0)\) und \(\vec{e}_2 = (0,1)\) bilden eine Basis dieses Vektorraums: ein beliebiges Paar \( (\alpha_1, \alpha_2)\) lässt sich eindeutig als \(\alpha_1 (1,0) + \alpha_2 (0,1)\) schreiben. Diese Basis ist die so genannte Standardbasis des \(\color{#af3f00}{R^2}\).

Frage:

Die Bezeichnung Standardbasis des \(R^2\) suggeriert, dass diese Basis vor den anderen Basen ausgezeichnet ist. Wie kann das sein? Sind nicht alle Basen eines Vektorraums gleichberechtigt?

Wir reden von einem ganz konkreten Vektorraum, nicht von dem allgemeinen, abstrakten Vektorraum.

Antwort:

Der Widerspruch zwischen Auszeichnung einerseits und Gleichberechtigung andererseits ist nur scheinbar. Die Auszeichnung der Standardbasis ergibt sich natürlich nicht aus der Vektorraumstruktur, sondern aus der konkreten Bedeutung der Vektoren als geordnete 2-Tupel reeller Zahlen.

Der konkrete Vektorraum \(R^2 = R \times R\) hat nämlich etwas, was der abstrakte Vektorraum — und andere konkrete Vektorräume — nicht haben: eine Produktstruktur. Er ist das zweifache kartesische Produkt der reellen Zahlen. Es gibt also ein erstes und ein zweites Element eines jeden Zahlen-Paares.

Diese zusätzliche Produktstruktur, nicht die Vektorraumstruktur, ermöglicht es, Basen zu unterscheiden. Bei den beiden Basisvektoren der Standardbasis des \(R^2\) ist das erste Element bzw. das zweite Element des Paares jeweils Null. Die Standardbasis ist an die Produktstruktur angepasst. Die aus den Paaren \(\vec{f}_1 = (1,1)\) und \(\vec{f}_2 = (-1,1)\) bestehende Basis ist es nicht. Das soll an dieser Stelle genügen.

Merkenswert ist: Zusätzliche Strukturen erlauben es daran angepasste Basen auszuzeichnen. In diesem Sinne zeichnet eine metrische Struktur — die es erlaubt von Längen und Winkeln (und manchmal auch von Taxifahrern) zu reden — orthonormale Basen aus.

Auf Produktstrukturen und Metriken werden wir — auch im Zusammenhang mit der Raumzeit — zurückkommen.

Lessons learned

  • Jeder Vektor eines Vektorraums lässt sich eindeutig als Linearkombination der Vektoren einer Basis schreiben.
  • Alle Basen eines Vektorraums sind gleichberechtigt.